Natur- und erlebnispädagogisches Konzept

Forsthaus Haidberg – Drei Funktionen, eine Institution

Das Forsthaus Haidberg ist, nachdem es ursprünglich tatsächlich ein Forsthaus war, seit 1984 eine Kinder- und Jugendbildungsstätte. Seit 1999 in freier Trägerschaft ist es gleichzeitig Umweltbildungsstätte, außerschulischer Lernort und Jugendgästehaus.

Das Gästehaus als preiswertes Selbstversorgerhaus steht Gruppen für eigene Aktivitäten in der Natur zur Verfügung und bietet mit gleichzeitig 30 Schlafplätzen Schulklassen, Kindergärten, Vereinen oder Verbänden der Kinder- und Jugendarbeit die Möglichkeit, ein weit gefächertes und naturpädagogisches Angebot zu nutzen.
Als außerschulischer Lernort der Stadt Marl steht das Forsthaus Schulen und Kindertagesstätten zwischen April und Oktober für naturpädagogische Angebote zur Verfügung. Neben Waldexkursionen im Rahmen einer Kooperation mit dem RVR, Teichuntersuchungen oder Teambildungsmaßnahmen sind auch gruppenindividuelle Angebote zu Themen der heimischen Flora, Fauna und Umweltschutz möglich.
Die Lage im Naturpark Hohe Mark und das eigene Außengelände mit Gemüsegarten, Streuobstwiese, Untersuchungsteich und Sinnesgarten machen das Forsthaus zu einer Freizeitstätte von hohem Erlebniswert für Kinder und Jugendliche und einer echten „Naturwerkstatt“. Dazu gehören mehrtägige Aktionen im naturpädagogischen und kreativ-künstlerischen Bereich ebenso wie außergewöhnliche Natur(schutz)projekte, in denen Spiel, Spaß, Lagerfeuer und Abenteuer eine wichtige Rolle spielen.

In allen Belangen legen wir besonderen Wert auf eine möglichst nachhaltige Nutzung und Schonung von Ressourcen.

Innere Stabilität und Netzwerkeinbindung – Erfolgsgaranten der Arbeit

Die Arbeit des Forsthauses ruht auf mehreren Säulen:

  • Es besteht eine finanzielle Förderung durch Mitgliedsbeiträge, Spenden und Kooperationen, allen voran durch die Stadt Marl.
  • Ein engagierter, gemeinnütziger Trägerverein (e.V.) führt das Forsthaus mit einem in der regionalen Zivilgesellschaft verankerten Vorstand, in enger Verzahnung mit den Beschäftigten des Forsthauses.
  • Die naturpädagogische Hausleitung organisiert und fördert ein zeitstabiles Team qualifizierter ‚freier‘ Mitarbeitender.
  • Viele Freunde und Förderer pflegen und verbessern ehrenamtlich regelmäßig die Infrastruktur von Haus und Umfeld.
  • Durch die Einbindung in Netzwerke und Weiterbildungsstrukturen der Umweltbildung und der Sozialen Arbeit gibt das Forsthaus seine Erfahrungen weiter und erhält seinerseits wertvolle Feedbacks, auch aus der Wissenschaft.

Gemeinsam werden Ideen und Visionen entwickelt und umgesetzt, sodass pro Jahr ca. 9000 Kinder und Jugendliche willkommen geheißen werden können. Alle Beteiligten sind sich darüber im Klaren, dass die Bereitstellung attraktiver Angebote in hoher Qualität kein Selbstläufer ist, sondern nur durch gemeinsame Anstrengungen und transparente Kommunikation nachhaltig gesichert werden kann.

Umwelt erleben – Bildungsansatz und Arbeitsweise

Die „Mission“

Wissen für verantwortungsbewussten Umgang mit der Umwelt und den natürlichen Ressourcen vermitteln und Gruppenerfahrungen in und mit der Natur ermöglichen, um Persönlichkeit und soziale Kompetenzen umfassend zu entwickeln – in künstlerischer wie kultureller oder technischer Hinsicht.

Der Bildungsansatz

Als ein Teil der Natur ist der Mensch eng mit ihr verbunden. Für die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen spielt sie eine besondere Rolle: Tiere, Pflanzen, Landschaften und Menschen sind Teil der sie prägenden Umwelten und ihres Erlebens. Erlebte Natur wird nicht nur ein Ort von Erinnerungen, Empfindungen und Wahrnehmungen, sondern Teil ihrer Biografie. Naturpädagogik will Kindern und Jugendlichen Begegnungen mit und ein Aufwachsen in der Natur ermöglichen und sie damit zu verantwortlichem Denken und Handeln befähigen. Entsprechend umfasst der Bildungsansatz des Forsthauses auf der Grundlage eines nicht konfessionsgebundenen humanistischen Weltbildes, die Summe verschiedener pädagogischer und naturwissenschaftlicher Disziplinen und den Erfahrungsschatz naturverbundener Traditionen. Naturwissen, pädagogische Methoden, Kreativität sowie die reflektierten Erfahrungen aus langjähriger Praxis bilden dabei eine Synthese. Zudem leiten uns eine tiefe Leidenschaft für das, was wir tun, ein ganzheitliches Verständnis der Welt.

Die thematischen Schwerpunkte liegen auf der heimischen Flora und Fauna und ihren Wechselbeziehungen, den Zyklen der Natur, dem Gärtnern und kreativen Gestalten in, mit und für die Natur. Die Vermittlung von Naturwissen und Wissen um ökologische, soziale, wirtschaftliche und globale Zusammenhänge steht innerhalb der Angebote immer im Kontext einer emotionalen Wahrnehmung der Natur. Geschichten, Lieder, Rollenspiele und der damit verbundene Perspektivenwechsel helfen die Bedürfnisse anderer Lebewesen, wie Tiere und Pflanzen, besser zu verstehen.

Elemente der Arbeitsweise

Natur ist nach unserem Verständnis eine (oft unterschätzte) Brücke, um Erwachsene und Kinder/Jugendliche auf Augenhöhe zu bringen. Junge wie erwachsene Menschen können Natur in gleicher Weise spüren, können im Spiel Naturphänomene entdecken und lernen, sich als Teil der Natur zu erfahren. Das ist elementar für die Arbeit im Forsthaus.

In den Aktionen arbeiten wir nach einem offenen Konzept entlang eines ‚roten Fadens‘, um auf unterschiedliche Situationen individuell reagieren zu können, und um damit nahe an den Bedürfnissen und der Lebenswelt der Kinder und Jugendlichen zu bleiben. Es geht nicht darum, den Teilnehmenden Wissen überzustülpen, sondern ihnen Hilfestellungen und Anregungen zum selbsttätigen Erforschen und Experimentieren zu geben. Für die Teamer bedeutet das ein Einlassen auf Situationen und den Umgang mit Faktoren, die im naturnahen Raum (Wald, Wind &Wetter etc.) nie komplett vorhersehbar sind. Dazu braucht es ein sicheres und kompetentes Agieren in Momenten, in denen zugleich Freiräume gewährt werden sollen.
Forschen und Entdecken findet im Forsthaus meist in Kleingruppen oder an Lern-Stationen statt. Die Teilnehmenden werden herausgefordert und motiviert, spielerisch ihre Fähigkeit zur differenzierten Wahrnehmung zu schulen, Zusammenhängen auf die Spur zu kommen, Problemlösungsstrategien zu entwickeln und sie umzusetzen. Die pädagogische Anforderung an Teamer ist dabei der Erhalt ihrer ‚professionellen Neugier‘, einer ernstgemeinten Offenheit für unerwartete Dinge, selbst, wenn das von Kindern gerade neu Entdeckte den Erwachsenen längst bekannt war bzw. vielfach erlebt wurde.
Schließlich erfordert das empathische Sehen mit den Augen der Kinder auch, ihnen Begeisterung, Freude oder auch Ärger zu zeigen. Feedback/ Resonanz zu geben bedeutet in der Perspektive von Kindern und Jugendlichen: ‚Ich werde gehört‘. Sich ausprobieren zu können beinhaltet, neben dem Erfolg, auch das Risiko des Scheiterns. Auch in Situationen des Nicht-Gelingens müssen Teamer daher immer Raum für nächste Entwicklungsschritte anbieten.
Das Forsthaus versteht im ausgeführten Sinn (Umwelt)Bildung als einen aktiven und zugleich begleitenden Aneignungsprozess, in dem sich Kinder und Jugendliche ein Bild von der Welt machen. Indem dieses Bild und das Weltbild anderer individuell verarbeitet werden, ist Umwelt erlebbar, verstehbar und gemeinsam mit anderen gestaltbar. Das Forsthaus stellt sich dieser unter den Bedingungen der „Kurzzeitpädagogik“ anspruchsvollen Zielstellung. Voraussetzung dafür ist die kontinuierliche Reflektion im Team und die stetige Weiterentwicklung der eigenen Kompetenzen. Regelmäßige interne und externe Schulungen sind ausdrücklich geförderter Bestandteil der Arbeit.

Neue gesellschaftliche Bedarfslagen aufnehmen, oder: Was Kinder brauchen

Natur besitzt für Menschen in Deutschland nach zahlreichen Studien eine hohe Relevanz.
Gleichzeitig wird von einer Naturferne von Kindern zwischen 4 und 12 Jahren gesprochen. Die festgestellte Naturdistanz betrifft selbst einfachste Gegebenheiten, und ein Großwerden in einem naturfernen Milieu scheint zur Normalbiografie zu werden. Ein Grund für diese Diskrepanz liegt darin, dass Naturerleben gesellschaftlich oftmals als ein schönes Add-on zu den „wirklich“ wichtigen naturwissenschaftlichen Bildungsinhalten gilt. Jenseits einer pauschalen Kulturkritik bietet das Forsthaus für diese aus seiner Sicht defizitäre Lage in drei Bereichen kompensatorische Angebote:

  • Naturkreisläufe erkennen: Aufgrund der wachsenden Entfremdung von der Natur brauchen Kinder und Jugendliche systemisches Denken und nachhaltiges Handeln in Bezug auf Natur und Umwelt. Naturkreisläufe zeigen Leben erhaltende Wechselbeziehungen, deren Verständnis unseren eigenen Fortbestand sichern kann.
  • Selber machen: Kindern und Jugendlichen fällt es oft schwer, eigene Lösungen für komplexe Probleme zu finden. Ein immer noch sehr verschultes anweisungsorientiertes Lernen erschwert ihnen kreatives Arbeiten. Daher brauchen sie Freiräume für selbstbestimmtes eigentätiges Arbeiten. Wir bieten Anregungen zum Erforschen und Experimentieren im Naturraum. Teilnehmende werden motiviert, spielerisch ihre Fähigkeit zur differenzierten (haptischen) Wahrnehmung zu schulen, Zusammenhänge zu entdecken, Problemlösungen zu entwickeln und umzusetzen.
  • Natur und Technik: Der intensive Umgang von Kindern und Jugendlichen mit digitalen Medien ist überwiegend freizeit- und vergnügungsorientiert. Augrund dieser Beobachtung setzen wir auf einen nachhaltigen Aufbau digitaler Kompetenzen und deren praxisorientierte Anwendung.  Deswegen benutzen wir Technik unterstützend um Natur und Umwelt verstehbar und gestaltbar zu machen.

Alleinstellungsmerkmal Außengelände

Die Kinder und Jugendlichen haben bei ihren Aufenthalten im Forsthaus Haidberg hohe Erwartungen an unser Gelände. Diese Erwartungen wollen wir erfüllen, da die Dynamik und der Forscherdrang von Kindern und Jugendlichen in ihrem Alltag häufig auf der Strecke bleiben. Wir möchten ihnen daher bei uns einen eigentätigen, sinnlichen und zu Teilen auch außergewöhnlichen und abenteuerlichen Umgang mit Natur ermöglichen und begreifen unser Außengelände als ökologisch – pädagogischen Garten, als „Biotop mit Menschen“.
Ein solcher Garten muss vielfältig und abwechslungsreich, geheimnisvoll, lustig und überraschend sein. Er braucht Nutzflächen, Wildnisflächen und Sozialräume. Entsprechend umfasst der Garten verschiedene Sitz- und Rückzugsorte für kleine und große Gruppen, eine Feuerstelle, ein Baumhaus, eine Vogelnestschaukel und verschiedenste Kletter- und Spielgeräte, die das soziale Miteinander, aber auch den Bewegungsdrang der jungen Gäste ansprechen sollen.

Er bietet einen von Kükelhaus inspirierten Sinnesgarten mit Barfußpfad, Klangelementen, Balancierstrecke, Erdtelefonen und Tastelementen. Dieser Gartenbereich ermöglicht es den BesucherInnen, Natur zu fühlen, zu riechen, zu hören, mit ihr zu spielen und unterstützt so die Entwicklung ihres sinnlichen Wahrnehmungsvermögens.
Der Untersuchungsteich mit Flach- und Tiefwasserzonen wird ausgiebig genutzt zum angeleiteten „Tümpeln“ mit Kindern und Jugendlichen. Das Keschern, Betrachten und Bestimmen von Kleinlebewesen im Wasser entspricht ihrem Forscher-, Sammler- und Untersuchungsdrang. Dabei fehlt nicht der naturkundliche Aspekt, er ist aber eingebettet in ein ganzheitliches Konzept von Naturerfahrung. So respektieren wir z.B. die Laichzeiten von Fröschen, Kröten und Molchen sowie ausgewiesene Rückzugsbereiche für Tiere und Pflanzen am Teich.
Besonders arbeitsintensiv, aber auch von besonderer Bedeutung für eine Umweltbildungseinrichtung ist der Gemüsegarten. Er bietet Kindern und Jugendlichen die Erfahrung eines nachhaltigen und ressourcenschonenden Umgangs mit Natur. Sie erleben das Säen, Pflanzen, Ernten und sogar das Essen verschiedenster Gemüse und werden in alle Arbeitsabläufe mit einbezogen. Sie entwickeln Verständnis dafür, dass Nahrung Arbeit macht, in einem natürlichen Kreislauf entsteht und vergeht, dass es Pflanzengesellschaften gibt, die sich gegenseitig befruchten und dass Vielfalt daher nicht nur ästhetisch bedeutend ist.
Die Arbeit in einem Gemüsegarten fördert neben dem aufmerksamen Umgang mit Natur und Umwelt und der Wertschätzung gesunder Lebensmittel aber genauso auch soziale Fähigkeiten wie Zusammenarbeit, planvolles Vorgehen und die Selbsttätigkeit von Kindern und Jugendlichen. Die Tätigkeiten in einem naturnahen Gemüsegarten beinhalten viele Aspekte, die für Stadtkinder kaum mehr erfahrbar sind, aber durchaus viel mit ihrem Leben zu tun haben.
Mit dem Gemüseanbau wird kein statischer Rahmen vorgegeben. Es ändern sich Gemüsesorten, Beipflanzungen und Kreativelemente von Jahr zu Jahr, und wir experimentieren mit verschiedenen Anbauweisen. So testen wir seit 2023 gemeinsam mit Marler Schulklassen Aufbau und Einsatz eines Farmroboters. Dieser soll gerade Jugendlichen mit starkem Technik- und Medienbezug einen Zugang zum Gemüseanbau schaffen. 
Angrenzend an den benachbarten Wald verfügt der Garten über eine Streuobstwiese, die naturschutzgerecht gepflegt und intensiv in die naturpädagogische Arbeit einbezogen wird.
Gerade Streuobstwiesen eignen sich hervorragend zum Erleben des Wandels der Jahreszeiten: Von der Blüte bis zur Ernte und selbst im Winter ist eine Streuobstwiese immer ein besonderer Erlebnisraum. Dieser Lebensraum kann sowohl begleitet als auch selbständig erkundet und untersucht werden, um Verständnis dafür zu wecken, wie bedroht und wichtig alte Streuobstwiesen sind. Bei den begleiteten Angeboten bleibt z. B. die Vielzahl der bewohnenden Insekten nicht namenlos, sondern wir laden ein zu Bestimmungsübungen mit Becherlupe und Stereomikroskop, ermögliche das Belauschen von Fledermäusen mit Detektoren oder weisen ein in Pflanzung und Pflege alter Obstbaumsorten.

Der ökologisch – pädagogische Garten beinhaltet selbstverständlich auch Wildnisflächen, die nur durch Beobachtende und manchmal als Sammelnde oder Abenteurer genutzt werden.

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